Symbiose by Uwe Post

Symbiose by Uwe Post

Autor:Uwe Post
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Tags: Science Fiction
Herausgeber: Atlantis-Verlag
veröffentlicht: 2011-03-26T23:00:00+00:00


36 Progrome

Die Hamburger Speicherstadt, in vorsymbiontischer Zeit vielbesuchter Ort der Kultur und Symbol des Strukturwandels, war unter einem wild wuchernden Algenteppich verschwunden. Grünbraun, feucht, Manifestation marinen Lebens in fremden Gefilden, wuchsen die zähen Pflanzenstränge an roten Backsteinmauern hinauf, hatten viele davon längst zermürbt, zum Einsturz gebracht. Dies war die Heimat einer Vyrroc-Enklave, die in zweiter Generation auf der Erde weilte, abgenabelt von der Mutterwelt, aber auch auf der Erde nicht verwurzelt. Die Speicherstadt-Vyrroc hatten kein Interesse an Integration in die Menschenwelt, denn sie hätte ihnen nichts genutzt. Von Vyrroc importierte Symbionten, wie zum Beispiel die Algen, schufen an der Elbe einen Ausschnitt ihres Herkunftsplaneten, den die Hamburger geflissentlich ignorierten, oder, so sie das Wort überhaupt kannten, Ghetto nannten.

Zku-u saß im dunklen, eingestürzten Dachfirst eines einst mit großartiger Fassade glänzenden Lagerhauses und beobachtete den sich nähernden Hai mit einer Teleskopröhre. Um ihn herum hatten sich junge Vyrroc geschart, die geduldig darauf warteten, selbst einen Blick auf das fremdartige Gebilde zu werfen.

Aber als Zku-u das Fernrohr senkte, da tat er das nicht, um es an einen anderen Vyrroc weiterzugeben. Stattdessen richtete er es auf die Innenstadt, wo Flammen die Stellen markierten, an der Menschen ihrer grenzenlosen Wut freien Lauf ließen.

»Was passiert?«, fragte Kchn-e, die neben Zku-u stand und die fernen Feuersäulen betrachtete.

»Die Menschen wollen nicht sterben«, antwortete der Vyrroc mit dem Teleskop. Er spielte in der Enklave die Rolle eines Lehrers, und er versäumte selten eine Gelegenheit, wenn die Kinder ihm ihre volle Aufmerksamkeit schenkten. »Aber sie können den Hai nur sehen, im Web3D, oder am Himmel, sie können ihn nicht verbrennen.«

»Und deshalb verbrennen sie die Stadt?«

Zku-u überlegte, wie er diese Frage beantworten konnte. Er verstand es selbst nicht. Aber ihm war, als könne er menschliche Schreie hören. Verzweiflung, brennende Wut. Der tief verwurzelte Zerstörungstrieb der Menschen, vor allem der männlichen, war den Vyrroc durchaus ein Begriff.

»Menschen«, erklärte Zku-u, »sind Zerstörungsmaschinen mit angelegter Bremse. Wenn diese Bremse gelöst wird, geschieht das, was ihr heute seht.«

Ein Kreischen, hoch über ihm, ließ ihn aufsehen. Aber da war nichts.

»Außerdem«, legte Zku-u seinen jungen Zuhörern dar, »mögen die Menschen es ganz und gar nicht, wenn man sie hintergeht. Wie wir heute erfahren haben, haben die Politiker die Menschen hintergangen.«

»Also richtet sich die Gewalt gegen die Politiker?«

»Gegen alles, was sie repräsentieren«, bestätigte Zku-u, »und die öffentliche Ordnung ist ein Teil davon.«

»Wir haben sie auch hintergangen«, sagte Kchn-e.

»Wir?«, fragte ihr Lehrer.

»Nicht wir. Unsere Familien auf der Heimatwelt. Sie haben dieses Gift hier ausgelegt. Sie haben uns zu einem vergifteten Köder gemacht, um ihr Überleben zu sichern.«

Zku-u zögerte, zumal ein Pfeifen in der Luft seine Aufmerksamkeit beanspruchte. Dann ein Lichtblitz, ein paar Häuser weiter.

Kchn-e sprach weiter. »Sie haben uns hintergangen.«

»Aber wir sind deswegen nicht wütend oder gewalttätig«, betonte Zku-u, der ein bisschen Menschlichkeit in Kchn-e zu sehen glaubte.

»Wir sind nur traurig«, entgegnete die Schülerin.

Dann explodierte eine brennende Flasche mit einem Blitz mitten in der Gruppe. Flüssige Flammen breiteten sich sofort aus, setzten die Algen in Brand. Die Vyrroc kreischten, sprangen geblendet umher, ziellos, Nahrung des immer hungrigen Feuers.

Oben johlte ein Mensch auf einem Taxigreif, flog eine Kurve, warf eine weitere Flasche.



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